Maika bleibt bei mir by Elin Ørjasæter

Maika bleibt bei mir by Elin Ørjasæter

Autor:Elin Ørjasæter [Ørjasæter, Elin]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: SAGA Egmont
veröffentlicht: 2015-08-21T00:00:00+00:00


* * *

Wir gingen über die hohe Schwelle in die große Küche und mussten dabei die Köpfe einziehen, weil die Tür für kleinere Personen berechnet ist. Dort drinnen stand alles an seinem Platz. Urgroßvaters Stuhl. Der Holzofen. Die beiden Kochplatten auf der Anrichte. Sogar der Fliegenfänger, voll mit toten und sterbenden Fliegen, hing über dem abgewetzten Küchentisch.

Mama seufzte und machte sich daran, Konserven aufzuwärmen. Wir Kinder liefen in den ersten Stock und spielten Probeliegen in den Betten. Alle waren unmöglich! Eins hatte völlig verbeulte Matratzen. Ein anderes hatte eine tiefe Delle und das dritte knarrte so wahnsinnig, dass man unmöglich darin schlafen konnte. Alle waren mir zu kurz, da ich die Größte von uns war. Alle Betten waren aus altem Holz; Urgroßvater hatte sie gebaut, als er jung war.

An diesem Abend brieten wir Würstchen am Spieß im Kamin. Maika und Mikkel saßen jeweils auf einem kleinen Kinderhocker und Urgroßvater wohlbehalten auf seinem Stuhl. Mama schaute besorgt in die Flammen. Sie dachte sicher ans Geld. Papa holte eines der großen, alten Bücher von Urgroßvater heraus. Ich freute mich darauf, unheimliche Märchen zu hören.

»Es war einmal ein Mann, der hatte eine Wassermühle an einem Bach«, las Papa, »und dort gab es einen Mühlengeist. Und der Mann, wie es an einigen Orten üblich ist, gab ihm Fladen mit Butter und Weihnachtsbier, um gutes Mehl zu bekommen ...«

Papas Stimme brummelte monoton vor sich hin und ich sah vor mir den Regen an dunklen Herbstabenden herabprasseln, während Urgroßvater mit dem Essen für seinen Vater zur Mühle lief.

»... und jedes Mal, wenn er mahlen wollte, packte der Mühlengeist das Wasserrad und hielt die Mühle an«, las Papa, »sodass er nicht mahlen konnte. Der Mann wusste nur zu gut, dass es der Geist war, und eines Abends, als er Korn mahlen wollte, nahm er einen Topf mit Pech und Teer mit und setzte ihn aufs Feuer. Als er das Wasser auf das Mühlrad leitete, ging es eine Weile, aber dann blieb das Rad stehen, wie er sich gedacht hatte. Er stocherte und schlug nach dem Mühlengeist in der Wasserrinne und um das Wasserrad herum, aber das half nichts. Schließlich öffnete er die Luke, die zum Mühlrad und zur Wasserrinne führte, aber da stand der Mühlengeist mitten in der Luke und hatte das Maul aufgerissen, und das Maul war so riesig, dass der Unterkiefer auf der Türschwelle war und der Oberkiefer am Türbalken.

›Hast du schon so einen Schlund gesehen?‹, fragte er.

Der Mann lief zum Pechtopf, der vor sich hin brodelte, warf ihn ihm in den Rachen und entgegnete: ›Hast du schon so was Heißes erlebt?‹ Da ließ der Mühlengeist das Rad los und stieß einen fürchterlichen Schrei aus. Seitdem hat man ihn nicht mehr gehört oder gesehen und er hat auch nie wieder die Leute daran gehindert, ihr Korn zu mahlen.«

»Man muss sich schon gut mit dem Mühlengeist stellen«, meinte Urgroßvater in seiner Ecke. »Das habe ich immer gemacht«, fügte er noch hinzu.

»Aber jetzt kaufst du doch dein Mehl im Geschäft?«, fragte Eva.

Das war das erste Mal, dass ich hörte, wie sie ihn etwas fragte.



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